Evaluierungsbericht zur Studie in Zusammenarbeit mit dem Edeka Center Schroff
Das Projektziel bestand darin, eine neuartige Lösung im Bereich der Elektromobilität für den Auslieferservice von Lebensmitteln - auf Basis eines dreirädrigen Kleinkraftrades (E-Trike) bis 45km/h gemäß EU Richtlinie 2002/24/EG - zu entwickeln.
08/15 begann das Engineering und der Bau eines Prototyps, für welchen in 10/16 eine Betriebserlaubnis und Ausnahmegenehmigung bei der Typprüfstelle des TÜV Rheinland Kraftfahrt GmbH in Köln bzw. Bezirksregierung Düsseldorf erlangt wurde. Im Anschluss daran erfolgte eine gut anderhalbjährige Testphase. Im Rahmen dieser Testphase fand von 04/17 bis 09/17 ein Pilotprojekt zur gewerblichen Lebensmittelauslieferung in Zusammenarbeit mit der Fa. Edeka Center Schroff in Kleve statt. Aufgrund der Erkenntnisse der Testphase und des Pilotprojektes wurden technische und konzeptionelle Änderungen vorgenommen, die derzeit in den Bau einer optimierten und serientauglichen Version einfließen, welche in 10/18 fertig gestellt sein wird. Im Wesentlichen umfassten diese Änderungen eine Verbesserung des Antriebskonzeptes, des Ladevolumens und der fahrdynamischen Eigenschaften. Geplant ist eine Kleinserie um die Evaluierung der Einsatzmöglichkeiten und Wirtschaftlichkeit auszuweiten. Ziel wäre zunächst die Ergänzung der konventionellen Transportmittel mit Verbrennungsmotoren und langfristig der Ersatz durch das E-Trike insbesondere im urbanen Sektor.
Das Angebot der Fa. Edeka Schroff bedient im Wesentlichen Privatpersonen, die Lebensmittel (LM), Haushalts- und Hygieneartikel in haushaltsüblichen Mengen bestellen. In der Hauptsache handelt es sich bei dieser Klientel um Senioren, die zum Teil nicht mehr dazu in der Lage sind, den Edeka Markt zu besuchen bzw. die Einkäufe selbstständig nach Hause zu transportieren. Exemplarisch befindet sich in der Anlage eine repräsentative Lieferroute (Anlage Seite 3), die einen Auslieferprozess von 4 Zeitstunden dokumentiert und als durchschnittlich für einen halben Arbeitstag anzusehen ist. Diese 4 Zeitstunden umfassen die reine Fahrzeit, das Tragen der LM in die Wohnungen inklusive des Kassierens. Ebenfalls sind Reklamationsfahrten enthalten, die in etwa 15% der Gesamtroute ausmachen. Innerhalb der vier betrachteten Stunden machten die zugestellten Lieferungen ca. 200 kg – verteilt auf 10 Lieferkunden, d.h. 10 Liefereinheiten -aus. Während dieser Testphase lag nicht die Evaluierung der maximal erreichbaren Auslieferungsmenge im Vordergrund, sondern die Klärung eventueller technischer oder sicherheitsrelevanter Mängel des E-Trikes.
Anhand der durchgeführten Pilotprojektphase soll im Folgenden verdeutlicht werden, inwieweit sich bezogen auf ein ganzes Jahr Lärm- und CO2 Emissionen, sowie Energieverbrauch allgemein hier in der Einheit Liter Diesel / 100 km abgebildet, in Innenstädten einsparen lassen.
Betrachtet wurden die beiden Auslieferungsfahrzeuge, die während der halbjährigen Testphase in Konkurrenz zueinander standen. Als konventionelles Fahrzeug trat ein Mercedes Benz Vito 133 CDI, wie er bei unserem Projektpartner Edeka Center Schroff in Kleve im Liefergeschäft seit 2014 eingesetzt wird, an; bei dem zweiten Fahrzeug handelte es sich um den Prototypen RMC1, der selbstfahrend rein elektromotorisch betrieben wird.
Über ein Solarmodul wurde zusätzlich während der Testphase, je nach Wetterlage, bis zu 100 W in den Akkumulator eingespeist. Ebenfalls verfügt der RMC 1 über eine Bremsrekuperation, welche bis zu 2 kW in den Akku zurückspeisen kann.
Anlage Seite 1 und 2 zeigen einen direkten Vergleich aller relevanten Eigenschaften der beiden Kontrahenten. Ein halber Arbeitstag (4 Zeitstunden) einer Ausliefertätigkeit wurde als Vergleichsmaßstab zu Grunde gelegt. In dieser Referenzzeitspanne ergab sich bei der Referenzdistanz von nur 12,8 km (Anlage Seite 3) eine Differenz von ca. 2530 g / CO2 und ca. 1,16 ltr. Diesel.
Da der Markt an drei Tagen der Woche sein Auslieferungsgeschäft betreibt, ergab sich bezogen auf 52 Wochen pro Jahr ein Einsparpotenzial von ca. 790000 g/ CO2 und ca. 361 ltr. Diesel.
Die Lärmemissionen sind auf Grund des mit FOC (field oriented control) betriebenen E-Motors beim RMC1 vernachlässigbar, sodass sich dort ein klarer Vorteil zu Gunsten des RMC 1 abzeichnete.
Überträgt man diese Hochrechnung der Emissionen auf alle Lebensmittelmärkte, die ein Auslieferservice anbieten, so wird die erreichte Entlastung der Innenstädte bezüglich Emissionen und das Energieeinsparpotenzial sehr schnell deutlich.
Ausgehend von den Betrachtungen in den vorausgegangenen Absätzen seien zusammenfassend nochmals jene Eigenschaften des innovativen Fahrzeugkonzepts genannt, welche dem eines konventionellen Auslieferfahrzeugs entsprechen: a) Höchstgeschwindigkeit (50 zu 45 km/h) und Kompatibilität im Straßenverkehr sind nahezu gleichwertig. b) Bei Ausliefertransporten, die kundenzielgruppengemäß auf haushaltsüblichen Liefermengen basieren, ist die Laderaumkapazität ebenfalls vergleichbar, gerade im Bezug auf die bereits umgesetzte Vergrößerung des Laderaums beim Serientyp RMC 2. Ganz entscheidend ist aber der Kostenaspekt. Im Anschaffungspreis liegt das Verhältnis zwischen dem Vito 113 CDI und dem RMC1 bei über 4 zu 1; das Verhältnis beider Fahrzeugtypen hinsichtlich Betriebs-und Unterhaltskosten unterscheidet sich sogar um den Faktor 20 zu Gunsten des RMC 1.
In der Folge bedeutet dies, dass Lebensmittelmärkte inklusive Biomärkte von dieser Variante profitieren können. Ein Zielpreis von ca. 7000 Euro für das RMC 2 dürfte die Schwelle einen Lieferdienst anzubieten weiter herabsetzen. Weiterhin können Unternehmen, die bereits einen Lieferdienst betreiben, die Variante in logistischer Ergänzung mit Kosten sparendem Effekt einsetzen. Ebenfalls lässt sich das innovative Fahrzeugkonzept auf den Bereich der Auslieferung von zubereiteten Speisen (Pizzerien, Fast Food Restaurants etc.) übertragen, da im Transportkoffer eingesetzte Peltierelemente sowohl zum Kühlen als auch Erwärmen der Lieferung genutzt werden können.
Grundsätzlich traten während der Entwicklungs-und Testphase einige technische Probleme und Aufgabenstellungen zu Tage, gerade im Bezug auf Sicherheit, Fahrdynamik und Antriebstechnik, da das Fahrzeugkonzept an sich neu ist und keinerlei Erfahrungen vorlagen. Durch die Beratungskompetenz und freundliche Unterstützung unserer Lieferanten für Bremssysteme, Lenkungsdämpfer und Feder-Dämpferbein-Kombinationen wie der ACE Stoßdämpfer GmbH (Schaeffler AG), der Gustav Magenwirth GmbH & Co. KG (MAGURA) und der alpha Technik GmbH & Co. KG gelang es jedoch diese zu lösen. Ebenfalls besteht seit Beginn/Mitte 2017 eine intensive Zusammenarbeit mit der Hochschule Rhein-Waal. Insbesondere haben die Fakultäten für Technologie und Bionik mit Ansprechpartner Prof. Dr.-Ing. Dirk Nissing (Regelungstechnik) und für Kommunikation und Umwelt mit dem Ansprechpartner Prof. Dr. Dirk Bruckmann (Verkehrslogistik) an ausgelagerten Teilprojekten mitgewirkt. Eine weitere Herausforderung besteht in der Finanzierung des Projektes, die bisher stets aus Eigenmitteln erfolgte.. Übertragbar ist das Projekt grundsätzlich auf alle Städte, die EU Ländern angehören. Ziel der angestrebten EU Typgenehmigung ist es also die logistische Lösung des dreirädrigen Leichtkraftrades bis 45km/h mit Elektroantrieb für den gesamten EU Raum bereitstellen zu können.
Dieser Evaluierungsbericht wurde im Juli 2018 ebenfalls beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit im Rahmen des Bundeswettbewerbs Nachhaltige Urbane Logistik eingereicht. Die Preisverleihung fand am 5.12.2018 in Berlin statt.